Radfahrer*innen zahlen keine Steuern – eine ökonomische Analyse

Autofahrer*innen erwähnen gerne, dass sie ja mit ihren Steuern die Kosten für den Straßenverkehr zahlen. Radfahrer*innen zahlen keine Steuern und es ist damit gerecht, dass die Radwege nicht so gut ausgebaut sind.
Oder so ähnlich…

Im Prinzip ist dagegen nichts zu sagen, tatsächlich gibt es keine Fahrradsteuer, abgesehen von der Steuer, die beim Kauf und zum Erhalt des Rades verwendet wird. Allerdings ist die Unterbotschaft ja eine andere: Autofahrer*innen tragen dazu bei, dass das Straßennetz erhalten bleibt, das Radfahrer*innen einfach so nutzen können. Radfahrer*innen werden als Verkehrsschmarotzer dargestellt.

Schauen wir uns mal die Bilanz an:
2019 gab es 9,37 Mrd. € Einnahmen aus der KFZ-Steuer, hinzu kommen 40,68 Mrd € aus der Mineralölsteuer (1).

Der Straßenverkehr verursacht hingegen Kosten von rund 141 Mrd €.
„Für einen Großteil davon ist laut Studie der Autoverkehr verantwortlich, der […] knapp 95 Prozent aller Folgekosten verursache. Das liege zum einen am hohen Anteil von Autos am Gesamtverkehr sowie an den vielen Unfällen.“ (2)

Was unter den Folgekosten zusammengefasst wird, ist umstritten. Ist Lärm wirklich ein Kostenfaktor? Ökonomisch gesehen zunächst nur, wenn Kosten wie Lärmschutz entstehen. Andererseits macht Lärm krank und beeinflusst beispielsweise den Verkaufswert von Immobilien. Wer wissen möchte, was Lärm verursacht, muss nur auf eine der zahlreichen Karten schauen, die man im Netz findet: Straßenverkehr verursacht viel Lärm (3).
Stille ist ein hohes Gut.

Zurück zur Kostenrechnung: Die Finanzierungslücke liegt bei etwa 90 Mrd. €.
VW, BMW und Daimler erwirtschafteten zusammen einen Gewinn von rund 20 Mrd € (4).
Aus dieser Perspektive gesehen kommen zumindest aus deutscher Sicht noch Gewinne von zahlreichen Zulieferen hinzu, an denen wiederum Existenzen hängen. Deutschland ist zumindest zur Zeit noch sehr abhängig von der Autoinustrie. Aber was ist der Preis dafür?

2019, ohne Corona, gab es zum Beispiel 3 046 Tote im Straßenverkehr. Wie möchte man die aufrechnen?

Zurück zum Thema:
Radfahrer*innen zahlen für das Radfahren keine Steuern, als Bürger*innen zahlen sie Steuern (Einkommens-, Mehrwert-, usw.).
Autofahrer*innen zahlen durch den Besitz des Autos und den Verbrauch von Kraftstoff Steuern, die decken aber je nach Kalkulation nicht die Kosten, die sie verursachen.
Autofahrer*innen unterstützen eine Industrie, die vor allem in Deutschland eine zentrale Position inne hat. Damit dürften sie ökonomisch gesehen ungefähr bei der Null angekommen sein, aber wie bei den externen Kosten ist sind auch die Folgeeinnahmen sehr schwer zu messen.
Ökologisch und sozial verursachen Autofahrer*innen allerdings extrem hohe, aber schwer messbare Kosten.
Radfahren veursacht auch Kosten, wenn man allerdings gegenrechnet, dass jeder Radkilometer Autofahrten einspart und für die Radfahrenden tendenziell gesund ist, kommt man auf einen Jahresgewinn von ca. 1000€ pro Radfahrer*in (6).
Können wir das nicht einfach mit der Steuer verrechnen?

Letztlich bleibt vor allem die Frage: in welcher Welt möchten wir leben?
Eine Steuer für Radfahrer*innen widerspräche dabei massiv meiner Wunschvorstellung: sie ist ökonomisch nicht zu rechtfertigen und würde ökologisch wie sozial in die komplett falsche Richtung steuern.

Übrigens war Opel in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts der größte Fahrradhersteller der Welt (7) – in Deutschland wurden insgesamt sehr viele Fahrräder hergestellt (8). Schade, leider falsch abgebogen.

Quellen

(1) Tweet

https://twitter.com/Veloptiker/status/1403636381176504320?s=20 , 12.06.21

(2) Autoverkehr verursacht Folgekosten
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Autoverkehr-verursacht-Folgekosten-von-141-Milliarden-Euro-4505987.html , 12.06.21

(3) Lärm in NRW
http://www.umgebungslaerm.nrw.de/ , 12.06.21

(4) „Größte Automobilhersteller weltweit nach Gewinn im Jahr 2020“
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/256312/umfrage/gewinn-der-weltweit-fuehrenden-automobilhersteller/ , 12.06.21

(5) „Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen weiter mitteilt, waren das 322 Todesopfer oder 10,6 % weniger als im Jahr 2019 (3 046 Todesopfer).“
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/02/PD21_084_46.html , 12.06.21

(6) „[…] jeder, der regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit fährt oder zum Einkauf, bringt der Volkswirtschaft jährlich einen Nutzen von mehr als 1.000 Euro pro Kopf, sagt eine neue Studie.“
https://www1.wdr.de/wissen/technik/radfahren-lohnt-sich-100.html , 12.06.21

(7) Opel als Fahrradproduzent
https://www.opelpost.com/05/2014/opel-fahrradproduktion/ , 12.06.21

(8) Fahrradindustrie in Deutschland
https://www.ardmediathek.de/video/heimatflimmern/wie-das-fahrrad-nach-nrw-kam/wdr-fernsehen/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLWJhZDdkYmFmLTJjODktNGJkYi05YmY5LWM0YzQyODZkMjljYw/ , 12.06.21